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Einheitsbrei in den Medien

Herkunft, Ausbildung, Geschlecht: Von Diversität ist in den Medien bisher nicht viel zu sehen. Dabei ist Vielfalt ein journalistisches Qualitätsmerkmal.

TEXT: MICHAEL HIRZ

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Einheitsbrei in den Medien

Herkunft, Ausbildung, Geschlecht: Von Diversität ist in den Medien bisher nicht viel zu sehen. Dabei ist Vielfalt ein journalistisches Qualitätsmerkmal.

TEXT: MICHAEL HIRZ

Zu den großen Überschriften unserer Zeit gehört der Begriff „Diversität“, abgeleitet von lateinisch „diversitas“, Verschiedenheit, Vielfalt. Diversität ist gut, fördert kreative Lösungen, macht Unternehmen stärker und eine Gesellschaft gerechter: Das ist mittlerweile gängige Münze. Ob in der Wirtschaft oder den Parteien, im Sport oder in der Kultur, der Diversitätstrend hat den Charakter des Modischen längst abgestreift und ist dabei, die Wirklichkeit in diesem Land grundstürzend zu verändern. Allerdings gibt es kleine, aber zähe Widerstandsnester, die dem diversitätsorientierten Zeitgeist und dessen Gesetzmäßigkeiten trotzen. Das wäre vielleicht nicht weiter erheblich, wenn es nicht ausgerechnet um Medien ginge. Medien sind Grundlage für das kollektive Bewusstsein. Ihre Berichterstattung ist Voraussetzung für gesellschaftliche Debatten, für politische Entscheidungen, für alles, was gerade eine freie Gesellschaft ausmacht, die sich über ihren Zustand und ihre Entwicklung verständigen muss.

Die Vielfalt in der Zusammensetzung einer Redaktion bestimmt auch die Vielfalt der Themenauswahl und der journalistischen Perspektive.

Ausgerechnet in den Redaktionen – nicht nur der besonders einflussstarken Leitmedien – zeigt sich ein Bild von außergewöhnlicher Homogenität. Was die soziale und ethnische Herkunft der dort Angestellten angeht, die akademische Ausbildung, das Geschlecht: Diversität sieht definitiv anders aus. Dabei ist unbestritten (und hinlänglich wissenschaftlich unterfüttert), dass Vielfalt ein journalistisches Qualitätsmerkmal ist. Die Vielfalt in der Zusammensetzung einer Redaktion bestimmt auch die Vielfalt der Themenauswahl und der journalistischen Perspektive. Stattdessen findet sich Einheitsbrei. Schaut man auf die Führungsebene, verschärft sich der Eindruck sogar noch: Herkunftsmilieus, akademische Ausbildung, oft auch weltanschauliche Prägungen ähneln sich häufig zum Verwechseln.

Das erkennbare Fremdeln einer immer bunter werdenden Gesellschaft mit ihren Medien lässt sich in Teilen wohl auch damit erklären, dass die Lebenswelten auseinanderdriften und sich eine zunehmend größere Zahl von Menschen in der journalistisch monochrom beschriebenen Wirklichkeit nicht mehr widergespiegelt sieht. Ergebnis ist ein Vertrauensverlust, der für eine ohnehin angeschlagene Branche ein zusätzliches Problem bedeutet.

Das ist in den großen Verlagshäusern und Sendern inzwischen angekommen. Man hat den Kampf gegen die Milieublindheit aufgenommen – ob noch rechtzeitig, wird sich zeigen müssen. Aber auch außerhalb der etablierten Medien zeigt sich Bewegung: Journalistische Start-ups experimentieren mit frischen Formaten, ohne Traditionsballast im Gepäck mit herumschleppen zu müssen. Eine ausgesprochen muntere Gründer-Szene mischt mit ihren frischen Ideen das publizistische Angebot auf. Es ist zu hoffen, dass der Journalismus so wieder den Anschluss an die Zeit und die Verhältnisse findet. Das wäre nicht nur für die Branche dringend nötig, sondern auch für die Gesellschaft.

Michael Hirz ist Journalist und Moderator. Von 2008 bis 2018 leitete er den Politiksender Phoenix. Heute schreibt er als Autor für Zeitungen und Magazine und berät in Medienfragen.

Michael Hirz ist Journalist und Moderator. Von 2008 bis 2018 leitete er den Politiksender Phoenix. Heute schreibt er als Autor für Zeitungen und Magazine und berät in Medienfragen.

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