START-UP

Gründen in der Krise

Wie geht es deutschen Start-ups in Zeiten von geopolitischen Spannungen, gestiegener Inflation, Zinswende, hohen Energiekosten, Lieferkettenproblematik und unklaren Konjunkturaussichten? Trotz Katerstimmung gibt es Grund zur Hoffnung, wie ein junger Gründer erzählt. 

INTERVIEW: KIRA BRÜCK


START-UP

Gründen in der Krise

Wie geht es deutschen Start-ups in Zeiten von geopolitischen Spannungen, gestiegener Inflation, Zinswende, hohen Energiekosten, Lieferkettenproblematik und unklaren Konjunkturaussichten? Trotz Katerstimmung gibt es Grund zur Hoffnung, wie ein junger Gründer erzählt. 

INTERVIEW: KIRA BRÜCK

Der Wind wird rauer für die Wirtschaft – und so auch für Gründerinnen und Gründer. Aufgrund von Krise und Unsicherheit gehen weltweit Risikokapitalfinanzierungen zurück. Auch hierzulande sind Wagniskapitalgeber vorsichtiger. Während im zweiten Quartal 2021 insgesamt 7,8 Milliarden Euro investiert wurden, waren es im gleichen Zeitraum 2022 nur noch 2,9 Milliarden Euro. In der Pandemie hatten Start-ups noch profitiert: Essens-lieferungen und Online-Shopping waren stark nachgefragt. Hier reguliert sich der Markt gerade wieder.

„Fundraising ist deutlich schwerer geworden. Zu Beginn der Pandemie war es für drei Monate fast unmöglich, Venture Capital zu raisen. Die Investoren warteten ab. Heute achten sie noch stärker auf Profitabilität. Sie wollen wissen: Wie überlebenssicher wird das Start-up sein, wenn sich die Krise verschärft?“, sagt Tom Bachem. Der 36-jährige Unternehmer und Softwareentwickler ist Mitbegründer des Start-up-Verbands und meint, dass es für Firsttime-Founder geradezu unmöglich sei, an Kapital zu kommen. „Die aktuelle Unsicherheit lässt Kapitalgeber ungern neue Verpflichtungen eingehen. Sie reservieren das Geld lieber für ihre bestehenden Investments, um sie durch die Krise zu bekommen“, erklärt Tom Bachem.

Also, wie gründet man in Krisenzeiten? Wir lassen es uns von einem erklären, der mittendrin steckt. Milan -von dem Bussche gilt als Recycling-Wunderkind, er hat als Schüler Maschinen entwickelt, mit denen man aus Plastikschnipseln neues Filament, einen Grundstoff für 3D-Drucker, herstellen kann. Wir erwischen den 19-Jährigen am Telefon, da schiebt er gerade sein kaputtes Fahrrad durch Oppenheim, seinen Heimatort. Der junge Gründer von QI-Tech ist schwer beschäftigt. Seine Produktionshalle, die in ihrem früheren Leben mal ein Supermarkt war, wird demnächst abgerissen. Aber: In der Halle befinden sich zwei Millionen Flaschendeckel. Vor dem Umzug nach Darmstadt, wo von dem Bussche ein Maschinenbau-Studium beginnt und eine neue Halle angemietet hat, müssen diese noch sortiert und geschreddert werden.

Wir sagen Du, in Ordnung? Für Start-ups ist es aktuell schwierig, an Geld zu kommen. Sind Banken gute Geldgeber?

Eher nicht. Kunden sind gute Geldgeber, denn sie haben keine Investmentbedingungen. Denen musst du dein Produkt liefern – und das muss halt geil sein. Wenn wir unsere Maschinen verkaufen, bezahlen die Kunden zuerst. Die acht Wochen Lieferzeit nehmen sie zum Glück gerne im Kauf.

Was ist mit Venture Capital?

Ich bekomme mit, dass es härter geworden ist, ein Funding zu bekommen. Vor der Krise wurde vielen das Geld hinterhergeworfen. Ich habe als Jugendlicher in der Garage meiner Eltern gegründet. Meine Mitgesellschafter waren meine Mitschüler, heute sind wir Studenten. Wir haben nicht einfach viel Geld von einem Investor in Frankfurt bekommen und dann 20 Leute eingestellt. Alle, die mitmachen, haben auch Anteile. Wir leben sparsam, haben keine Personalkosten, alles fließt in die Firma. Ein Investor hätte uns vermutlich unsere Idee eher kaputtgemacht.

Das musst du uns erklären.

Investoren wollen, dass sich Start-ups fokussieren. Sie sagen so etwas wie: Sortiert die Flaschendeckel und verschickt sie an eine Firma nach Ungarn, die sie schreddert. Oder: Nehmt sortierte Flaschendeckel aus Italien, schreddert und verkauft sie dann. Bei uns laufen viele Projekte gleichzeitig, mit dem Fokus ist es da manchmal schwierig. Wir konnten so viel tüfteln und herumprobieren, weil uns keiner reingeredet hat.

Investoren wollen wissen: Wie überlebenssicher ist das Start-up, wenn sich die Krise verschärft?
Tom Bachem

Heute könnt ihr vom Sortieren der Flaschendeckel bis zum Erstellen des Plastik-Filaments alles
abdecken.

Genau, mir geht es um die ganze Wertschöpfungskette. Sie ist wichtig für die Recyclingbranche, denn keiner hat mehr Bock auf Greenwashing. Ich kann jeden einzelnen Arbeitsschritt klar belegen und nehme die Leute mit Videos auf Instagram mit. Ich glaube daran, dass der Outsourcing-Trend langfristig zurückgeht. Große Autohersteller werden ihre Teile wieder selbst produzieren.

Betreffen dich die aktuellen Lieferengpässe?

Unter der Unzuverlässigkeit der Lieferkette leiden auch wir. Wenn ich wochenlang auf Kugellager warte, kann ich gut mitfühlen, was im Mittelstand abgeht. Auf der anderen Seite profitieren wir durch die Lieferkettenproblematik, denn wir recyceln komplett inhouse, das ist in Deutschland einigermaßen einzigartig. Die großen Konzerne wollen nicht mehr aus Fernost ihr Plastik beziehen, weil die Lieferung so unsicher ist. Beispielsweise verkaufen wir unser recyceltes Granulat an einen Designmöbel-Hersteller in der Region.

Wer bestellt bei euch Maschinen?

Dem jahrlangen Tüfteln sei Dank: Wir konnten unsere Flaschendeckel-Sortiermaschine so konzipieren, dass sie nicht mit Druckluft, sondern mit Motoren läuft. Fließband, Drehrampe, zwanzig Sensoren, das benötigt alles wenig Strom. Es macht mir großen Spaß, die Maschine zu beobachten.

Recycling ist nicht von irgendwelchen Fridays-for-Future-Kids ausgedacht – das kann wirklich ein Business sein.

Die meisten Jugendlichen sind ja schon mit den Vorbereitungen für das Abitur und einem Hobby ausgelastet. Wie kam es, dass du zum Gründer wurdest?

Vor drei Jahren hatte ich ein älteres iPhone, das nicht kabellos laden konnte. Die Handys meiner Freunde konnten das; und das hat mich gewurmt. Da habe ich mit einem Freund Handyhüllen mit dem 3-D-Drucker gedruckt, in denen eine Kupferspule verarbeitet war. Weil wir die Hüllen in eigenen Farben wollten, brauchten wir Filament. Also schredderten wir Plastikmüll mit dem Küchenmixer meiner Mutter. Irgendwann haben wir die Hüllen auf dem Gemeindemarkt verkauft, 2019 gewannen wir bei „Jugend gründet“ und durften ins Silicon Valley reisen

Dabei warst du auf dem Sprung in die Politik.

Stimmt, ich war bei den JuLis aktiv und habe auch ein Praktikum bei der FDP im Bundestag absolviert. Ich war auf dem besten Weg, irgendwann im Landesvorstand der JuLis zu sitzen. Aber irgendwann musste ich mir die Frage beantworten, ob ich lieber an meinen Maschinen herumlöten oder große Reden halten möchte. Für Letzteres habe ich bestimmt später noch Zeit.

Wie beschreibst du deine Vision für QI-Tech?

Ich will zeigen: Recycling ist nicht von irgendwelchen Fridays-for-Future-Kids ausgedacht – das kann wirklich ein Business sein. Jedes Jahr werden in Deutschland über sechs Milliarden Mehrwegflaschen produziert. Wir machen aus den Deckeln die Spulen für das Filament. Jährlich werden über zwei Millionen 3-D-Drucker verkauft, die Filament benötigen, das wir aus Klarsichtplatten fertigen. Wenn das mal nicht inspirierend ist!

Kira Brück ist freie Journalistin. Sie schreibt über Wirtschafts-, Kultur- und Gesellschaftsthemen, unter anderem für „Spiegel Online“ und für „Die Welt“. Sie lebt in Berlin.

Kira Brück ist freie Journalistin. Sie schreibt über Wirtschafts-, Kultur- und Gesellschaftsthemen, unter anderem für „Spiegel Online“ und für „Die Welt“. Sie lebt in Berlin.

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