PRO

Die Risiken
lassen sich minimieren

LNG allein kann die russischen Erdgasimporte nicht ausgleichen. Fracking in Deutschland ist daher sinnvoll.

Text: Ludwig Möhring
Illustrationen: Andrea Ucini

Europa ist in der größten Gaskrise seit Beginn der Erdgasnutzung vor mehr als fünfzig Jahren. Der Ausfall russischer Lieferungen lässt sich nicht über Nacht kompensieren, erst recht nicht zu den alten Preisen. Grund dafür ist die Knappheit von Erdgas auf dem Weltmarkt. Wer glaubt, LNG könne die russischen Mengen zeitnah ersetzen, übersieht, dass frühere russische Lieferungen nach Europa rund 30 Prozent des weltweiten LNG-Marktes entsprechen. LNG muss jedoch von den Europäern im Wettbewerb insbesondere mit Asien gekauft werden. Daran wird sich über Jahre nichts grundlegend ändern.

Erdgas wird auch nach 2024 knapp bleiben, und Europa wird das mit hohen Weltmarktpreisen zu bezahlen haben. Es wird kein Zurück zu früheren Preisen von rund 20 Euro/MWh an den Großhandelsmärkten geben. Jetzt liegen sie für 2023 bei über 100 Euro/MWh. Ob und wie schnell sie sich durch ein zusätzliches Angebot vielleicht wieder auf 50 Euro/MWh werden drücken lassen, ist fraglich.

Da hilft nur eins: zusätzliches Angebot. Deutschland hofft auf weltweite Investitionen in LNG; wirkliche Kontrolle haben wir aber allein über die heimische Erdgasproduktion. Die hier vorhandenen großen Reserven an Schiefergas zu fördern würde den Einsatz von Fracking erfordern. Zehn Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr wären denkbar, gegebenenfalls auch mehr. So könnte Deutschland wieder bis zu 20 Prozent seines Bedarfs selbst decken. Dieser Option nachzugehen wäre im Sinne einer verantwortlichen Politik.

Aber Fracking hat eine politische Historie in Deutschland. Die Skepsis sitzt tief – trotz jahrzehntelanger Erfahrungen und sicherem Einsatz von Fracking in konventionellen Lagerstätten.

Die Politik kann der Skepsis nur begegnen, indem sie für eine unvoreingenommene Prüfung dieser Option sorgt. Die von der ehemaligen Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission Fracking hat herausgearbeitet, dass sich die Technologie weiterentwickelt hat und sich die Risiken mit geeigneten Maßnahmen minimieren lassen. Eine versachlichte Diskussion müsste erwägen, welche Rahmenbedingungen für eine Schiefergasförderung entwickelt werden können. Angesichts der für viele Jahre kritischen Situation für Gasversorgung und Gaspreise wäre hierzu eine hinreichend informierte Entscheidung zu treffen. Allein die Berufung auf die Argumente der Vergangenheit reicht nicht aus.

Natürlich muss die Erdgasförderung in Deutschland mit den Pariser Klimaschutzzielen im Einklang stehen. Doch auch hier spricht vieles für heimische Förderung, denn sie vermeidet CO2-Emissionen, die beim LNG-Import anfallen. Die Schiefergasproduktion steht auch nicht im Wettbewerb mit erneuerbaren Energien, sondern könnte dazu beitragen, bezahlbare Energie auf dem Weg in die klimaneutrale Volkswirtschaft sicherzustellen. Die heimische Förderung ist so lange sinnvoll, wie hier noch Erdgas genutzt wird.

CONTRA

Teil des Problems, nicht der Lösung

Der Gasmangel ist ein Scheinargument. Nur erneuerbare Energien können uns retten. Fracking nicht.

Text: Juliane Dickel
Illustrationen: Andrea Ucini

Das Ziel des Pariser Klimaabkommens ist, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen – je geringer, umso besser. Fernab jedweder Ideologie geht es um die Frage, in was für einer Welt wir und unsere Nachkommen leben werden. Wie viel Landmasse verschwindet im Meer, wie drastisch steigern sich Fluchtbewegungen, wie stark geht die (Wirtschaftsgrundlage) Biodiversität verloren und wie sehr beschneidet das Leben und Wohlstand. Denn klar ist: Wichtige irreversible Kipppunkte sind überschritten, einige Entwicklungen sind schon jetzt nicht mehr umkehrbar. Andere werden es sehr bald nicht mehr sein.

Auch technologische Innovationen – sollte es welche geben – werden Flora und Fauna nicht auf Reset setzen können. Ganz zu schweigen von den Kosten, die auf die Gesellschaft durch Anpassungsmaßnahmen zukommen. Je drastischer die Entwicklung, umso unwirtlicher unser Lebensraum und umso drastischer die Verteilungskämpfe.

Was hat das mit Fracking zu tun? Fracking als Mittel zur fossilen Energieerzeugung ist Teil des Problems, nicht der Lösung. Beim Verbrennen von Gas entstehen CO2-Emissionen. Berücksichtigt man die Methanleckagen, die bei Förderung, Transport und Lagerung anfallen, fällt die Klimabilanz von Erdgas – insbesondere von gefracktem Erdgas – in vielen Fällen mindestens so schlecht aus wie die von Kohle.

Verweise auf den aktuell diskutierten möglichen Mangel an Gas und Strom sind Scheinargumente.

Bis zur Errichtung der benötigten flächendeckenden Infrastruktur würden mehrere Jahre vergehen, bis zur Verfügbarkeit signifikanter Mengen Gas bis zu zehn Jahre. Dem gegenüber stehen kostengünstige, wettbewerbsfähige erneuerbare Energien. Zügig naturverträglich ausgebaut, liefern sie in viel kürzerer Zeit ausreichend Energie.

Zudem ist Fracking ein wasserintensiver Prozess. Dabei ist Wasser ein Gut, das durch den Klimawandel immer rarer wird. In Fracking-Regionen würden sich Nutzungskonflikte um Wasser und Land drastisch erhöhen. Ganz zu schweigen von der Gefahr der Verschmutzung von Grundwasser und Oberflächengewässern. Denn das aufsteigende Grubenwasser ist einerseits durch Fracking-Chemikalien verunreinigt und kann sich andererseits beim Rückfluss mit Schwermetallen und radioaktiven Substanzen aus dem Untergrund anreichern. Beweise für die Behauptungen, es gäbe harmlosere Chemikalien, bleiben die Verantwortlichen bislang schuldig. Nebst der Frage, wie harmlos „harmloser“ ist, bleiben die anderen aufgeführten Probleme bestehen.

Die alles entscheidende Frage ist daher: Warum sollte man auf diese Technologie setzen, nur um noch mehr klimaschädliches Öl und Gas zu fördern, wenn es reale umweltverträglichere Alternativen gibt? Anstatt falsche Lock-in-Effekte zu schaffen, braucht es Investitionen in den naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energien und in grünen Wasserstoff aus zusätzlichen erneuerbaren Anlagen. Es gilt, die Energieeffizienz zu steigern und Einsparpotenziale zu nutzen.

Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands - Erdgas, Erdöl und Geoenergie e. V. (BVEG)

Juliane Dickel, Leiterin Atom- und Energiepolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND)

Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands - Erdgas, Erdöl und Geoenergie e. V. (BVEG)

Juliane Dickel, Leiterin Atom- und Energiepolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND)

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