BUCHREZENSION

Man sieht die
Helden vor sich

Zum 175. Mal jährt sich der Mythos 1848, lichterloh brannte es in den Metropolen Europas. Die Historikerin Alexandra Bleyer führt uns auf die Barrikaden in Paris, Berlin und Wien und in die Paulskirche nach Frankfurt – plastisch, sachkundig und wirkungsvoll inszeniert. 

Text: Karl-Heinz Paqué

BUCHREZENSION

Man sieht die Helden vor sich

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Text: Karl-Heinz Paqué

Die österreichische Historikerin Alexandra Bleyer lässt uns dies alles miterleben, mit schwungvoller Feder und unterhaltsamer Detailfülle. Die dramatischen Ereignisse im Februar und März 1848, zunächst in Paris, dann in Berlin und Wien, werden wirkungsvoll inszeniert. Man sieht die Helden der Paulskirche vor sich: Friedrich Daniel Bassermann, Heinrich von Gagern und Karl Mathy, die Befürworter einer konstitutionellen Monarchie; Robert Blum, Johann Adam von Itzstein und Gabriel Riesser, die Demokraten der gemäßigten Linken, um nur einige prominente Namen zu nennen. Sie und viele andere treffen sich im Mai 1848 zu Vor- und Nachbereitungen der Sitzungen in unterschiedlichen Gaststätten Frankfurts und reden ab dem 18. Mai 1848 in den Sitzungen des Plenums der Nationalversammlung auf hohem akademischen Niveau – und, mit Verlaub, oft viel zu lang. Es entstehen Fraktionen, ein erster grandioser Grundstein der parlamentarischen Demokratie. Man lebt für einige Wochen und Monate in Frankfurt, bestens aufgenommen vom Bürgertum der weltoffenen Stadt.

Ergebnis ist die großartige Verfassung der Paulskirche, die aber zu spät kommt – im März 1849, zu einem Zeitpunkt, als sich die zunächst verschreckte Aristokratie längst zum Niederschlagen der Revolution entschlossen hat. So in Deutschland, aber mit zeitlicher Versetzung ganz ähnlich in Frankreich und der Habsburgermonarchie. Die Revolution scheitert. Entstanden war sie wie ein Lauffeuer in Europa, angefacht in Deutschland und Österreich durch die Stickluft der Unterdrückung des „System Metternich“, das mit Verboten und Zensur die offene kontroverse Diskussion unterdrückte, eine Art „Cancel Culture“ des 19. Jahrhunderts. Hinzu kamen die Wirtschaftskrise und die soziale Lage von Handwerkern und Arbeitern im harten Strukturwandel des frühen Kapitalismus.

1849/50 ebbte die Revolution ab, im Nachhinein betrachtet: auffallend schnell. Warum? Die Antwort ist vielschichtig: Die wirtschaftliche Lage begann sich zu bessern, das Wachstum blieb bis in die frühen Siebzigerjahre dynamisch. Die Verfassung kam zu spät – zu viel streitbare Diskussion, zu wenig entschlossene Machtpolitik; die reaktionären Kräfte hatten genug Zeit, sich zu konsolidieren. Und vor allem: Die liberale Revolution selbst spaltete sich – in gemäßigte und radikalere Kräfte. Politisch begannen sich die Wege innerhalb des Liberalismus zu trennen, und in Deutschland gelang es erst 100 Jahre später, diese Wege in der Freien Demokratischen Partei wieder zusammenzuführen.

Alexandra Bleyer beschreibt dies alles plastisch und sachkundig, mit vielen Seitenblicken auf wichtige Einzelthemen – den aufkeimenden Nationalismus in der dänisch-deutschen Grenzfrage, die zentrale Rolle der freien Presse bis zu den mutigen Emanzipationsversuchen von Frauen. Allerdings: Zum Untertitel ihres Buches „Erfolgsgeschichte einer gescheiterten Revolution“ hat sie recht wenig zu sagen, gerade mal ein dürres Schlusskapitel („Was vom Aufstand übrig blieb“). Worin bestand bei allem Scheitern der Erfolg? Nun gut, die Verfassung blieb als Dokument der Orientierung für die Zukunft bestehen. Und zweifellos war 1848 eine bedeutende Schule der parlamentarischen Demokratie. 

Worin bestand bei allem Scheitern der Erfolg? Die Frage lässt Bleyer offen.

Alexandra Bleyer: „1848 – Erfolgsgeschichte einer gescheiterten Revolution“, Reclam, 336 Seiten,
26 Euro

Aber ist das bittere Lernen aus dem Scheitern wirklich schon ein Erfolg? Mit dieser Frage lässt uns die Autorin ratlos zurück.

Karl-Heinz Paqué, Herausgeber und Vorsitzender des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Karl-Heinz Paqué, Herausgeber und Vorsitzender des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

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